Mittwoch, 1. August 2007

Fixiert

Nach dem Blutabnehmen in der Früh wollte ich mich schon zur Morgenbesprechung begeben, als mich eine Schwester einholte und mich zuckersüß bat auf unseren Maniker aufzupassen. Normalerweise gibt es in solchen Situationen eine 1 zu 1 Betreuung, d.h. dass immer jemand, vorzugsweise eine externe Studentin, für ein wenig Geld immer beim Patienten ist. Die besagte Studentin hatte aber leider in der Nacht alles hingeschmissen, weil der Maniker obszön, beleidigend und zudringlich geworden ist. Also hab ich kurz bis seine Frau kam auf ihn aufgepasst. Klingt einfach, ist aber selbst für eine Stunde eine Heidenaufgabe einen Berg von einem Mann von allen möglichen unmöglichen Vorhaben abzuhalten. Allein es hat mich eine Viertelstunde gekostet ihn soweit zu bringen, dass er zu singen und gröllen aufhört und dass er eine Hose anzieht als wir Zucker für den Kaffee holen gingen.
Froh als ich ihn wieder losgeworden war machte ich mich wie geplant auf zur EKT (Elektrokrampftherapie) . EKT kennt der Laie auch aus diversen Filmen, in denen man die Patienten sich unter Elektroschocks winden sieht. Das Prinzip ist im wahren Leben das gleiche. Es wird Strom durch den Körper geleitet bis sich die Muskeln verkrampfen. Bei medikamentös ausgereizten depressiven Patienten hilft das sehr gut. Ich dachte also, dass dies ganz spannend wird, hab aber nicht mitbedacht, dass die ein Mittel zu Entspannung der Muskeln bekommen. In Klartext man sieht gar nichts, weil man schläft und sich die Krampfbefehle nur im Hirn bilden und nicht zu den Muskeln kommen. Das einzig coole war, dass mich der Anästhäsist die Maskenbeatmung des Patienten beim Aufwachen unter seiner Aufsicht überlassen hat.
Nach dem Mittagessen ging der Tag richtig los. Der Zustand unseres Manikers von vorher verschlechterte sich zusehends. Er fing immer lauter zu singen an, pöbelte die Mitpatienten an, warf Gegenstände durch den Raum. Als sich der Oberarzt einfand und ihn zu beruhigen versuchte, dauerte es nicht lange bis der Helfende mit einem zerissenen Hemd da stand. Aufgrund von diversen Komplikationen in der Vorgeschichte war keine standardisierte medikamentöse Beruhigung möglich. Der Zustand verschlechterte sich wiederum von Minute zu Minute. Von der geschlossenen Abteilung kam ein Fixierbett auf die Station und mit dem Bett ein Haufen Pfleger. Mit Mühe und einiger Kraftaufwendung gelang es den Maniker auf das Bett zu schnallen und ihn und auch andere vor möglichem Schaden zu bewahren.
Der ganze Vorfall hat an den Nerven des ganzen Personals gekratzt. Ich glaube, dass es aus der Erzählung nicht klar wird, wie grauenvoll es ist, einen erwachsenen Menschen in so einer Verfassung zu sehen, in der er zwar ständig redet, aber die Wörter nicht aneinander passen, er von einer Unruhe getrieben von einem Eck zum anderen hechtet, er neben seiner Frau (seit 41 J. verheiratet) die jungen Mädchen ansteigt und ihnen hinterherpfeifft,.... Vor 1 Woche war er noch ein ganz "normaler" Mensch!
Um den Tag noch ein bisschen abzurunden hab ich mich spontan beim Heimfahren entschieden mir um 10 Euro die Haare schneiden zu lassen.

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